Die Faszination für das Römische Reich ist ungebrochen. Ob wegen seines historischen Einflusses, der gigantischen Ausdehnung oder schlicht wegen der kuriosen Geschichten rund um Kaiser, Intrigen und Kulturen, das Thema packt, seit Jahrhunderten. Ubisoft greift dieses Interesse mit Anno 117: Pax Romana auf und verlagert die traditionsreiche Städtebau-Serie erstmals in die Antike. Das Ergebnis ist eine Weiterentwicklung des bekannten Anno-Prinzips, die mit klassischen Stärken überzeugt, aber auch spannende neue Facetten in die Reihe einbringt.
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Eine vertraute Formel in neuem Gewand
Wer Anno 1800 oder ältere Teile gespielt hat, findet sich sofort zurecht. Der grundlegende Spielfluss bleibt unverändert: Eine kleine Siedlung wächst Schritt für Schritt zu einer florierenden Metropole, getrieben von den stetig steigenden Bedürfnissen der Bevölkerung. Zunächst reicht es, Nahrung, Wohnraum und soziale Treffpunkte zu bieten, doch schon bald benötigen die Bewohner Kleidung, Baumaterialien, Kultur, Religion und Unterhaltung.

Die Kunst besteht wie eh und je darin, begrenzte Flächen effizient zu nutzen. Jedes Gebäude besitzt einen Wirkungsradius, der möglichst viele Wohnhäuser erfassen muss, ohne dabei die Finanzierung aus dem Gleichgewicht zu bringen. Gerade in den frühen Phasen, wenn Siedlungen rasant wachsen und Platz rar wird, entsteht der typische Anno-Reiz: ein ständiges, fast puzzleartiges Optimieren. Anno 117 vermittelt erneut das Gefühl, dass eine gut gestaltete Stadt nicht nur funktioniert, sondern lebt. Menschen bewegen sich durch Straßen, Märkte füllen sich, Produktionsketten laufen harmonisch ineinander. Die römische Architektur, das helle Sonnenlicht mediterraner Küsten und der Sandstaub am Rand der Straßen erzeugen mindestens genauso viel Atmosphäre wie die Industriekulissen des Vorgängers.

Ein großes Plus: Neue Freiheiten beim Bauen
Trotz des vertrauten Fundaments bringt Anno 117 eine Reihe clevere Neuerungen mit, die sich natürlich in das System einfügen, aber deutlich mehr Freiheit ermöglichen. Besonders auffällig sind diagonale Straßen. Was simpel klingt, verändert die Stadtgestaltung spürbar. Siedlungen wirken organischer, weicher, lebendiger. Das gridartige Layout früherer Teile weicht einem visuellen Stil, der eher an historische Stadtkerne erinnert. Auch das Fortschrittssystem wurde geöffnet. Ein neuer Technologiebaum erlaubt es, die Entwicklung der Stadt individueller zu lenken. Gleichzeitig brauchen nicht mehr alle Bedürfnisse erfüllt zu sein, um Bevölkerungsstufen freizuschalten. Wer jedoch alles erfüllt, erhält nützliche Boni. Dieses System belohnt gutes Management, ohne Spieler zu blockieren, eine der sinnvollsten Anpassungen der Reihe.

Krieg und Verteidigung, vorsichtig, aber clever integriert
Besonders spannend ist die Entscheidung, Landmilitär einzubauen. Zwar gab es in der Anno-Historie immer wieder Kämpfe, doch der Fokus lag oft auf Seeschlachten. In Anno 117 verändern Bodentruppen das Stadtgefühl spürbar. Spieler müssen Verteidigungslinien, Truppenwege und strategische Zonen berücksichtigen, ohne dass das Gameplay sich in Richtung Echtzeitstrategie verschiebt. Der Kampf bleibt bewusst zurückhaltend. Er ist kein Mittelpunkt, sondern ein zusätzliches Werkzeug. Die wichtigsten Entscheidungen betreffen weiterhin Produktion, Versorgung und Städtebau, aber die Notwendigkeit, potenzielle Bedrohungen einzukalkulieren, fügt eine interessante, historisch stimmige Ebene hinzu.
Eine römische Geschichte mit verzweigter Struktur
Anno-Kampagnen dienen oft als groß angelegte Einführung in die Mechaniken. Auch in Anno 117 gibt es einen Storymodus, der jedoch mehr Tiefe besitzt, als man zunächst vermuten würde. Die Geschichte führt durch verschiedene Regionen, lässt den Spieler zwischen Loyalität und Rebellion wählen und greift klassische römische Themen wie Intrigen, Provinzpolitik und Machtkämpfe auf. Die Narrative ist nicht revolutionär, aber angenehm vielseitig. Entscheidungen öffnen unterschiedliche Wege, und viele kleine Nebenaufgaben sorgen dafür, dass die Welt lebendig wirkt. Wer will, nutzt die Kampagne als Sprungbrett in den Sandbox-Modus, aber es steckt genug Substanz darin, um sie als vollständiges Erlebnis zu genießen.

Ein audiovisuelles Fest der Antike
Anno 117 besticht durch hochwertige Präsentation. Die römische Welt ist farbenfroh, reich an Details und atmosphärisch dicht. Die Musik orientiert sich an historischen Klangbildern und begleitet das Treiben der Städte mit ruhigen, aber mächtigen Kompositionen. Dynamische Kamerafahrten lassen Siedlungen wie lebende Kunstwerke wirken. Wenn man die Kamera zurückzieht und die Stadt in voller Größe betrachtet, entsteht die Art von Stolz, die nur die besten Städtebauer hervorrufen: das Gefühl, tatsächlich etwas geschaffen zu haben.
Fazit
Anno 117: Pax Romana führt die Reihe konsequent weiter und sorgt gleichzeitig für eine frische Perspektive. Das Zusammenspiel aus klassischen Produktionskreisläufen, neu gewonnener Gestaltungsfreiheit, erweiterten strategischen Elementen und einer stimmungsvollen Kampagne ergibt ein rundes und inspirierendes Gesamtbild. Es ist kein radikaler Umbruch, aber eine feinsinnige Weiterentwicklung, die zeigt, wie sich Anno weiterentwickeln kann, ohne seinen Kern zu verlieren. Wer schon früher Freude daran hatte, perfekte Stadtlayouts zu planen, wird hier stundenlang in meditatives Mikromanagement versinken. Wer neu einsteigt, findet dank intelligenter Modernisierungen einen zugänglicheren Einstieg denn je. Anno 117 vereint Geschichte und Städtebau in einer Form, die Lust macht, nicht nur Städte zu bauen, sondern auch mehr über die antike Welt zu erfahren. Das Spiel mag nicht das größte Projekt Ubisofts sein, aber es ist eines der liebevollsten und handwerklich saubersten ihrer aktuellen Veröffentlichungen.

