13 Jahre nach den Fehlschlägen Downpour und Book of Memories, die die Reihe für eine ganze Generation in den Ruin trieben, hätte ein traditioneller, sicherer Serienteil für viele Fans wie eine Verheißung gewirkt. Gerade nachdem Konami mit dem Remake von Silent Hill 2 viele Spieler wieder für sich gewinnen konnte, war die Hoffnung groß, dass nur ein Jahr später ein frisches Kapitel im Nebel eröffnet wird. Doch Konami wählt einen anderen, riskanteren Weg.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Silent Hill F, entwickelt von NeoBards Entertainment, ist alles andere als konventionell. Statt im fiktiven Maine der bisherigen Teile spielt die Handlung im Japan der 1960er-Jahre. Dazu stammt die Geschichte vom externen Autor Ryukishi07, bekannt durch Higurashi When They Cry. Und auch spielmechanisch wird Neuland betreten: Fernkampfwaffen sucht man vergeblich, Nahkampf ist das zentrale Element. Damit bewegt sich Silent Hill F bewusst weg von alten Strukturen, ohne aber den Kern des Survival-Horrors aus den Augen zu verlieren.
Eine neue Protagonistin im Nebel
Im Mittelpunkt steht die Schülerin Hinako Shimizu, die in ihrem Heimatort Ebisugaoka plötzlich von Nebel, Blüten und grotesken Kreaturen umgeben ist. Gemeinsam mit einigen Freunden versucht sie, einen Ausweg zu finden. Da der Kontakt zur Außenwelt abgebrochen ist, führt der Weg tief ins Innere von Familie, Vergangenheit und eigenen Ängsten.
Mehr als die Hälfte des Spiels verbringt man damit, diesen Weg zu ergründen. Hinako wandert zwischen Schule, Zuhause und weiteren Orten hin und her, wobei persönliche Enthüllungen zunehmend in die Suche nach einem Fluchtweg verstrickt werden. Die Geschichte bleibt bewusst kryptisch und wird regelmäßig durch unerwartete Ohnmachtsanfälle der Protagonistin unterbrochen. Diese leiten Abschnitte in einer mythischen Parallelwelt ein, in der Hinako Schreine und deren geheimnisvolle Tiefen erkundet. Gerade diese Passagen sorgen für die drastischsten Momente des Spiels. Brutale Zwischensequenzen, blutige Schockeffekte und überraschende Wendungen lassen keinen Zweifel daran, dass hier ein gnadenloses Kapitel der Reihe geschrieben wurde. Der Ton ist intensiver, kompromissloser und entfernt sich dabei spürbar von der klassischen Melancholie der älteren Teile.
15 Stunden Albtraum, mit mehr als einem Ende
Nach etwa 15 Stunden dürften die Credits über den Bildschirm rollen – zumindest beim ersten Durchlauf. Denn Silent Hill F ist so konzipiert, dass Mehrfachdurchgänge neue Perspektiven und Enden freischalten. Das erste Finale wirkt abrupt, fast wie ein Teaser. Erst wer in New Game+ erneut in die Abgründe von Ebisugaoka hinabsteigt, stößt auf weitere Hintergründe und verborgene Puzzleteile. Für manche Spieler mag der Gedanke an mehrere Durchläufe abschreckend wirken, für Hartgesottene bietet das Spiel jedoch zusätzlichen Reiz. Spielerisch setzt NeoBards auf eine Mischung aus leichter Erkundung, riskantem Kampf und gelegentlichen Rätseln. Die Umgebung ist zwar kein Open World, aber die engen Straßen und Gassen laden zum Umweg ein, wo sich Sammelobjekte, Upgrades und kleine Geheimnisse verstecken. Betritt man Innenräume, erinnert das Spiel stärker an klassische Silent Hill-Momente – zumindest bis zum nächsten Kampf.
Nahkampf statt Schusswaffen
Das größte Alleinstellungsmerkmal ist ohne Zweifel das Kampfsystem. Schusswaffen gibt es nicht, stattdessen stehen Nahkampfwaffen wie Sicheln, Küchenmesser oder Hämmer zur Verfügung. Angriffe müssen überlegt und gut getimed sein, sonst scheitert man am Ausdauermeter oder erleidet massiven Schaden. Auch Waffenverschleiß spielt eine Rolle, was manchmal zur Flucht zwingt.
Die Gefechte fühlen sich dank durchdachter Animationen und starkem Trefferfeedback wuchtig und befriedigend an. Ein kurzer Stopp bei Treffern, das sogenannte Hitstop, verstärkt das Gefühl physischer Wucht. Neben leichten und schweren Angriffen gibt es Ausweichmanöver und Paraden, die präzises Timing erfordern. Vergleiche mit Dark Souls tauchten im Vorfeld häufig auf. Doch abgesehen von der Härte und der Bestrafung unachtsamer Spieler hat Silent Hill F spielerisch wenig mit FromSoftwares Klassikern gemeinsam. Die Kämpfe sind eher simpel und laufen oft nach dem gleichen Schema ab: Angreifen, zurückweichen, erneut zuschlagen. Es fehlt an taktischer Tiefe, auch wenn das unmittelbare Gefühl beim Zuschlagen stimmt.
Zu wenig Gegnervielfalt, aber starke Rätsel
Das größte Problem liegt in der Varianz. Neben Bossen gibt es nur eine Handvoll unterschiedlicher Gegnertypen, die man schnell überdrüssig wird. Ihre Designs sind zwar grotesk und teilweise mit floralen Motiven verziert, doch die Wiederholungen nutzen sich rasch ab. Besser sieht es bei den Rätseln aus. Schon seit der PlayStation-Ära gehören verschachtelte Denksportaufgaben zur DNA von Silent Hill. Auch hier bietet Silent Hill F anspruchsvolle und teils absurde Rätsel, die Fans der Reihe begeistern dürften. Besonders dann, wenn man in einer großen Umgebung mit verschlossenen Türen mehrere Aufgaben parallel lösen muss, entfaltet sich ein klassisches Silent Hill-Gefühl. Das Erkunden der Schule oder eines verzerrten Elternhauses wird so zur intensiven Spielerfahrung, die die bedrückende Atmosphäre zusätzlich verstärkt.
Atmosphäre, Technik und Fazit
Atmosphärisch gelingt NeoBards eine Gratwanderung. Das Spiel fühlt sich trotz aller Änderungen nach Silent Hill an: beklemmend, unheimlich, voller Anspannung. Gleichzeitig erinnert der japanische Schauplatz eher an Fatal Frame oder Forbidden Siren als an die westlichen Klassiker von Team Silent. Die Mischung funktioniert überraschend gut, auch wenn Puristen wohl Zeit brauchen werden, um sich an die neue Tonalität zu gewöhnen.
Technisch dagegen leistet sich das Spiel Schwächen. Auf der PS5 Pro etwa läuft Silent Hill F zwar mit stabilen 60 Bildern pro Sekunde, doch kurze Ruckler und Mikropausen trüben das Erlebnis spürbar. Gerade in hitzigen Kämpfen wirken diese Aussetzer störend und sollten dringend per Patch behoben werden.
Am Ende bleibt ein mutiges Experiment: Silent Hill F bricht bewusst mit Traditionen und versucht, die Reihe in eine neue Richtung zu lenken. Wer bereit ist, sich darauf einzulassen, erlebt einen intensiven, brutalen Survival-Horror, der alte und neue Stärken verbindet. Hardcore-Fans müssen Kompromisse eingehen, aber wer die Veränderungen akzeptiert, findet hier eine der packendsten Horror-Erfahrungen der aktuellen Konsolengeneration.